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Mein Sternenkind [Gastbeitrag]

2013 haben mein Mann und ich geheiratet und nach einer wunderschönen Hochzeit und einer unvergesslichen Hochzeitsreise nach Mauritius haben wir jeden Monat vergeblich darauf gewartet, dass ich schwanger werde. Da ich zu dieser Zeit geschichtet habe und ich ständig andere Arbeitszeiten hatte, hatte ich keinen geregelten Rhythmus. Allerdings wollte ich in dieser Abteilung dann auch nicht bis zu meiner Rente bleiben. So kam es, dass ich dann auf 1. Juli 2014 die Abteilung gewechselt habe und mich mit dem Gedanken abgefunden hatte, keine Kinder zu bekommen. Schließlich tickte auch meine biologische Uhr, immerhin war ich schon 35.

Da ich durch das Schichten nie einen regelmäßigen Zyklus hatte, dachte ich mir noch nicht gleich etwas dabei, als Anfang September meine Periode ausblieb. Meine Frauenärztin war zu diesem Zeitpunkt über 1 Stunde Fahrzeit entfernt und ich hatte dann zufällig meinen normalen Kontrolltermin, da ich Urlaub hatte. Ich erläuterte meinen Kinderwunsch seit 1 Jahr und erzählte, dass ich auf meine Periode warten würde. Sie meinte, dass sie sofort nachsehen würde. Jetzt wurde ich nervös. Tatsächlich sah man auf dem Ultraschall eine Fruchthöhle und es war sogar ein Punkt darin zu sehen. Sie sagte dann, dass ich in der 5 Woche sein müsste. Ich konnte es gar nicht fassen, dass es nun endlich geklappt hat. Mein Mann und ich wollten am nächsten Tag in den Urlaub fahren und wir waren einfach nur glücklich. Ich konnte an gar nichts anderes mehr denken. Anfang Mai würden wir dann also zu 3 sein! Ich fühlte mich wie auf Wolke 7.

Ich las Bücher, Broschüren und im Internet. Mir ging es so gut und die Freude auf dieses kleine Wesen wuchs stündlich. Doch dieses Glück hielt gerade mal 3 Wochen… ich bekam in der Nacht zu unserem 1. Hochzeitstag starke Blutungen und wir fuhren ins Krankenhaus. Der Blick der Ärztin lies nichts Gutes ahnen… Der Blick auf den Ultraschall auch nicht. Sie sah nur noch eine leere Fruchthöhle. Es wurde Blut genommen und ich solle am nächsten Tag wieder anrufen. So fuhren wir um Mitternacht wieder nach Hause. Den Rest der Nacht verbrachte ich gekrümmt auf dem Fußboden unseres Badezimmers, da ich solche Schmerzen hatte. Gegen Morgen bekam ich noch mal eine Art Wehen und es ging ein riesen Blutklumpen ab. Jetzt wusste ich, dass tatsächlich alles vorbei war.

Der nächste Tag war der blanke Horror. Eigentlich wollten wir mit unseren Gästen unseren 1. Hochzeitstag feiern. Mir ging es nicht gut und ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Der Tag zog sich hin und ich war froh, dass ich endlich in mein Bett konnte und einfach nur daliegen. 3 Tage später hatte ich einen Termin bei meiner Frauenärztin und eigentlich sollte ich doch meinen Mutterpass an diesem Tag bekommen. Sie bestätigte, was mein Herz längst wusste. Wir mussten unser Baby zu den Sternen ziehen lassen. In einer Woche sollte ich nochmal zur Kontrolle kommen, ob ich zur Ausschabung müsse. Es ging dann aber ohne. Mein Glück zerbrach in nur wenigen Stunden und so waren wir wieder zu 2.

Leider wurden genau zu dieser Zeit viele um mich herum schwanger. Zwei Freundinnen, eine Nachbarin, eine Kollegin, die Frau meines Cousins… Es war der blanke Horror, alle hatten ihren ET um meinen errechneten ET. Immer wenn ich sie sehen werde, würde ich daran denken müssen, dass mein Kind im Himmel jetzt auch so alt sein würde… Die einzige Person, die von meiner Schwangerschaft wusste, war meine Brieffreundin. Ihr schüttete ich mein Herz aus und sie tröstete mich, da sie 6 Monate vorher auch in der Frühschwangerschaft ihr Baby verloren hatte. Sie wusste, von was ich sprach. Aktuell war sie genau 10 Wochen weiter, also in der 18. SSW. Leider hielt auch ihr Glück nicht und sie verlor ihr Baby noch in derselben Woche wie ich. So schrecklich es auch war, wir waren füreinander da und gaben uns Trost. Sie sollte 3 Monate warten, bis sie wieder einen neuen Versuch starten dürften. Ich wollte auch warten, da ich einfach noch nicht breit für ein Folgewunder war. Die Periode wurde zur Nebensache und ich versucht mit meinem Schmerz zu leben. Überall sah ich nur noch schwangere Frauen und eigentlich hatte ich keine Lust mehr, das Haus zu verlassen.

Nach 2 Wochen ging ich wieder arbeiten und ich versuchte, mich so abzulenken. Die Ablenkung klappt oft sehr gut, doch leider schweiften meine Gedanken oft ab zu meinem Sternenkind. Dies endete meist damit, dass ich Tränenüberströmt eingeschlafen bin. Ende November dann, als ich am Wenigsten damit gerechnet hatte, schmeckte mir mein geliebter Latte Macchiato, den ich immer in der Pause trank, nicht mehr. Erst war ich verwundert, bis mich meine Kollegin fragte, ob ich den schwanger sei. Ich schaute sie mit großen Augen an. Abends hielt ich dann einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand und ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder weinen sollte… Auf jeden Fall würde ich es sehr lange für mich behalten und niemanden den ET verraten. Errechnet war 29. Juli und ich entschied mich, dann immer den ET erst Mitte, ja sogar erst Ende August zu nennen. Diese Zeit war geprägt von Angst, Hoffen und Bangen und dann doch auch Freude. Mit jedem Besuch bei meiner Frauenärztin wuchs die Hoffnung, dass nun doch vielleicht alles gut werden würde. Ganz ausschalten konnte ich die Angst aber nie. Mitte Februar war es dann soweit, wir erzählten, dass wir im August Nachwuchs erwarten würden. Mir ging es blendend und ich verdrängte meine Angst so gut es ging, die ich um mein 2. Baby hatte. Wie lange würde es wohl gut gehen…

in der 27. Woche kam dann der Schock: als ich morgens eine periodenartige Sturzblutung hatte. Überall viel frisches Blut – NEIN!! BITTE NICHT! Ich möchte nicht auch dieses Kind in den Himmel ziehen lassen müssen. Wir fuhren sofort ins Krankenhaus und die Ärztin machte mir unverblümt klar, dass wenn die Blutungen von Kind oder Plazenta kommen würden, ich dann ich eine Klinik mit „Frühchen Level I“ verlegt werden würde und ich dann heute noch entbinden müsse. Oh nein, ich hatte doch noch nicht einmal einen Namen und dann sollte ich entbinden? Würde das Kind überleben? Ja, es gibt Chancen. Errechnet hatte mein Baby bereits 1000g und die Ärztin beruhigte mich, dass dieses Kind gute Chancen hätte. Etwas beruhigt war ich dann doch. Nach mehreren Untersuchungen stand fest, dass die Blutungen nicht von Kind oder Plazenta kamen. Erleichterung! Allerdings wussten sie auch nicht, woher die Blutungen sonst kamen. Aber ich musste nicht verlegt werde und mein Baby musste noch nicht auf die Welt. Dann wollte ich doch wissen, ob ich einen Prinzen oder eine Prinzessin erwarten würde. Leider saß mein Baby in meinem Becken und zeigte sich nicht. Niemand traute sich eine Aussage zu machen. Also würden wir es dann erst an der Geburt erfahren. 5 Tage war ich stationär im Krankenhaus und durfte mein Bett nicht verlassen. Jeder Tag, jede Stunde würden dem Kind guttun, wo es länger in meinem Bauch sein könnte. So hatte es noch Zeit zu wachsen. Dann kam der 14. Mai und ich war traurig – heute wäre der ET von meinem Sternenkind und ich versuchte die Freude auf mein Baby im Bauch überwiegen zu lassen. Als ich Ende Mai den Termin im Krankenhaus hatte, war klar, dass mein Baby am 22. Juli – also 1 Woche vor ET – per Kaiserschnitt zur Welt kommen würde. Durch meine Vorerkrankungen (u.a. Lungenembolie) und weil sie BEL war, entschieden wir, dass ein Kaiserschnitt vermutlich die ungefährlichste „Lösung“ für uns beide war. Ich hatte unsagbar Angst, dieses Kind an der Geburt noch zu verlieren. Dann kam es aber doch anders und meine kleine Prinzessin entschied mit einem vorzeitigen Blasensprung, am 26. Juni zur Welt zu kommen. Sie wog 2600g, war 46cm klein und war gesund! Klar hatte sie diverse Probleme, aber alles in Allem war sie gesund. Das zählte für mich! Da lag sie nun. Mein Bauch war leer und ich vermisste ihre Bewegungen. Ich war glücklich, dass ich wusste, dass sie gesund ist, aber ich war noch nicht darauf vorbereitet, dass sie 5 Wochen früher zur Welt kam. Ich war dann doch überrumpelt. Die 2 Wochen auf der Frühchenstation waren hart und die erste Zeit Zuhause war 4 Monate lang geprägt von Koliken. Aber wir haben uns durchgekämpft und wir haben es geschafft!

Heute ist meine Prinzessin 3 Jahre alt und mein aller größtes Glück. Vielleicht kam sie auch zu früh, weil sie mir zeigen wollte, dass sie gesund ist und meine täglich wachsende Angst und Sorge um sie unberechtigt waren. Leider haben sich mein Mann und ich getrennt, als meine Prinzessin 1.5 Jahre alt war, was aber nichts mit unserem Sternenkind zu tun hatte. In unserem Schlafzimmer habe ich eine Ecke mit einer Skulptur, die meine Tochter und mich darstellen sollen. Außerdem habe ich kleine Erinnerungen an mein Sternenkind dort mit dabei liegen. Engel aus Perlen und einen gestickten Stern. So ist unser Sternchen immer ein Teil von unserem Leben und wird es immer sein. Für mich war es wichtig, einen Ort zum Trauern und der Erinnerung zu haben. Meine Prinzessin weiß, dass sie einen großen Bruder / eine Schwester im Himmel hat. Sie kennt unsere Ecke im Schlafzimmer und sie weiß, dass es dem kleinen Stern im Himmel gehört, aber natürlich auch uns beiden. Bei der Skulptur sagt sie immer: das ist Mama und ich!
16 Monate nach der Geburt meiner Prinzessin kam dann das Folgewunder von meiner Brieffreundin zur Welt. Auch wenn uns viele hundert Kilometer trennen, so haben wir doch viele Gemeinsamkeiten, die uns verbinden. So eine Freundschaft ist unbezahlbar! …und das seit bereits fast 30 Jahren 

 

4 Kommentare zu „Mein Sternenkind [Gastbeitrag]

  1. Liebe Mary,
    solch ein Erlebnis das zu deinem Leben gehört, gehört in die Welt.

    Wie viele Mamas von Sternen Kinder können nicht offen darüber sprechen obwohl sie es wollen?! Ich vermute es sind sehr viele und denke dass dein Bericht vielen Mut machen kann, offen über seine Sternen Kinder zu sprechen.

    Ich habe hohen Respekt vor deiner Offenheit und danke dir für den Bericht.

    Auf bald, dein

    Anonym aber Ehrlich :o)

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      1. Oh ich sehe es auch gerade, dann sind meine Worte die an dich gerichtet waren, an die Gastbeitrag-Autorin gerichtet.
        Ich glaub ich war einfach nur so überwältigt, dass ich dass überlas.
        Da sieht man mal, wie dass einen mit reißen kann. Besten Dank noch mal dafür.

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